LE SENS DE LA FÊTE (Das Leben ist ein Fest)

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Jean-Pierre Bacri ist für mich der französische Bill Murray – ich muss mich schon abhauen, wenn er nur ins Bild kommt und angefressen schaut. Wer so oft den alten Grantscherm und das Zornbinkerl gibt, der muss wohl tief im Herzen ein Wiener sein. Er schaut auch aus, als wäre sein Vater ein Hausherr und ein Seidenfabrikant gewesen – selber eher wie ein Seifenfabrikant. Aber alles kein Wunder, so unähnlich sind sich Paris und Wien tatsächlich nicht. Das hat auch schon Frost in FROST/NIXON gewusst, als er einer Frau, die ihm erzählt, dass sie noch nie in Wien gewesen ist, antwortet: „Oh, sie würden es mögen. Es ist wie Paris ohne Franzosen.“ Wo er recht hat… Dafür hat´s halt beim Schloss in Wien nur für einen Diskonter-Nachbau gereicht. Apropos Schloss: Im Film hat Jean-Pierre von Seifenfabrikant auf Hochzeitsplaner umgesattelt und soll eine pompöse Feier auf einem Schloss schupfen, zuständig für Speis und Trank, Blumenschmuck und Kostüme sowie Musikbegleitung. Und da sind das Feuerwerk und die Ballon-Einlage mit dem fliegenden Bräutigam noch gar nicht dabei. Ein bissl viel auf einmal, wie sich zeigen wird.

Es geht schief, was schief gehen muss, und das ist so ziemlich alles. Das alleine reicht schon für eine der besten Komödien der letzten Jahre, so grandios und detailverliebt denken sich die Herren Nakache und Toledano einen Reinfall und eine Panne nach der anderen aus. Mit knappen Strichen wunderbar gezeichnete Charaktere führen Streitgespräche und hinterfotzige Dialoge zum Abbusseln, und die Wuchtelfrequenz pro Sekunde lässt Frank Drebin im Grab rotieren wie ein Blaulicht.

Was den Film dann aber endgültig abheben lässt, ist, dass die Darstellung der Arbeitswelt und der daraus folgenden Beziehungen der Menschen so lebensnah und so wahr ist. Damit das ganze Fest reibungslos funktionieren könnte, müssten alle Beteiligten an einem Strang ziehen und müssten alle die Aufgabe zu ihrem eigenen Interesse machen. Das versteht nur keiner, und wahrscheinlich ist es auch zuviel verlangt. Unser Seifenfabrikant kann nicht verstehen, dass sein Interesse und das seines Kunden nicht auch automatisch die Interessen seiner Angestellten sein können, dass dieser Anspruch von Vornherein verfehlt ist. Die Angestellten wiederum schaffen es nicht, irgendetwas anderes zu sehen als ihre eigenen Probleme und Eitelkeiten. Ein jeder fuhrwerkt in seiner eigenen kleinen Blase durchs Leben, und die kollidieren mehr als dass sie sich durchdringen, geschweige denn verschmelzen. Da kann man durchaus einen Schluss auf die Gesellschaft im Ganzen ziehen – Solidarität kann nicht stattfinden, solange ich nicht anerkennen und verstehen kann, dass die Probleme der anderen subjektiv zumindest genauso wichtig und berechtigt sind wie für mich die eigenen.

Und das ist dann die ganz hohe Kunst der Komödie, wenn man sich wahlweise einfach nur zwei Stunden lang abpecken kann, sich aber gleichzeitig auch was übers Leben erzählen lassen kann, wenn man sich nur drauf einlässt.

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F 2017. Regie & Buch: Olivier Nakache, Éric Toledano. Darsteller: Jean-Pierre Bacri, Eye Haidara, Gilles Lellouche, Vincent Macaigne, Jean-Paul Rouve, Alban Ivanov, Suzanne Clément. 117 min.

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