Macbeth


THE TRAGEDY OF MACBETH

Regie: Joel Coen
Buch: Joel Coen
mit Denzel Washington, Frances McDormand, Bertie Carvel, Brendan Gleeson, Corey Hawkins, Kathryn Hunter
USA 2021. 105 min. Streaming

KKA

Hat die Welt auf eine neue Macbeth-Version gewartet? Nicht wirklich – seit der klassischen, geradlinigen Version von Roman Polanski im Jahr 1971 konnte niemand mehr etwas Wesentliches draufsetzen. Aber bitte, probieren kann man es ja, und Shakespeare geht im Kino immer. Optisch ist diese neue Fassung schon einmal schön geworden, in edlem Schwarz-Weiß mit messerscharfem kantigen Schattenwurf und einer ebensolchen strengen, schlichten Ausstattung, irgendwo zwischen Dr. Caligari und Bauhaus.

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The House


THE HOUSE

Regie: Emma De Swaef, Marc James Roels, Niki Lindroth von Bahr, Paloma Baeza
Buch: Enda Walsh
mit Mia Goth, Jarvis Cocker, Susan Wokoma, Matthew Goode, Helena Bonham Carter, Miranda Richardson
UK 2022. 97 min. Streaming

KKAMenschen, Mäuse, Miezen: Diese drei Spezies bewohnen nacheinander in drei surrealistischen Stop-Motion-Geschichten das titelgebende Haus. Anders als bei ähnlichen Filmen passen die Episoden inhaltlich und stilistisch gut zusammen, wünschenswert wäre noch gewesen, dass sich daraus eine Art Überhandlung ergeben hätte, in der man erkennen könnte, was es mit dem Haus auf sich hat und warum das alles dort passiert. Aber wie Jarvis Cocker sogar im Nachspann singt: Man weiß es halt nicht.

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Sechzehn Stunden Ewigkeit

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THE MAP OF TINY PERFECT THINGS

Regie: Ian Samuels
Buch: Lev Grossman

Mit Kyle Allen, Kathryn Newton, Jermaine Harris, Cleo Fraser, Josh Hamilton, Jorja Fox
USA 2021. 98 min. Streaming

Punxsutawney Phil, die alte Schlaf-Ratte, ist eh schon länger aus dem Winterschlaf erwacht, weil aber gerade Lockdown war, hat er sich erst jetzt vor den Bau getraut. Und weil draußen noch immer ein Tag so öd wie der andere ist, hat er drauf geschissen, seinen Schatten zu suchen, und sich gleich wieder vor den Fernseher in der Murmeltierhöhle gesetzt. Dort hat er auf dem Streaming-Anbieter seines Vertrauens gesehen, dass es schon wieder einen neuen Zeitschleifenfilm gibt. Das bedeutet noch weitere sechs Wochen ohne Kino für uns.

Wüst no mea wissn?

Music

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MUSIC

Regie: Sia
Buch: Sia, Dallas Clayton

Mit Kate Hudson, Maddie Ziegler, Leslie Odom Jr., Hector Elizondo, Ben Schwartz, Beto Calvillo
USA 2021. 107 min. Streaming

Oooookay. Das war … nicht gut. Nein, das war sogar richtig scheiße. Da hat der wütende Internet-Troll-Mob ausnahmsweise recht, wenn auch nur zufällig. Weil mir als altem neurotypisch typischem* Ignoranten ist ja völlig wurscht, ob die Rolle eines Autisten von einem echten Autisten gespielt wird oder nicht. Dafür hamma ja Schauspieler, damit sie spielen, was sie nicht sind. Als nächstes muss man selber Krebs haben, um einen Krebskranken zu spielen oder sich einen Fuß abschneiden, um einen Einbeinigen zu spielen. Die Zeiten von Lon Chaney sind aber vorbei… 

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THE OLD GUARD

Charlize Theron, Chiwetel Ejiofor, Matthias Schoenaerts, Marwan Kenzari, and KiKi Layne in The Old Guard (2020)

Charlize Theron im „Aeon Flux“-Gedächtnislook, das lässt ambitioniertes Mittelmaß erwarten. Das unglaublich schlechte Filmposter noch viel Schlimmeres. Zum Glück bleibt es eh beim ambitionierten Mittelmaß, das passabel unterhält, niemandem weh tut und auch das Kopfi nicht allzu sehr anstrengen tut. Schade, dass in jeder Inhaltsangabe das wesentliche Handlungselement verraten wird [wer nicht gespoilert werden will, den zweiten Absatz bitte nicht lesen], so vergibt man sich nach 15 Minuten einen grandiosen WTF-Moment. Es ist aber auch wieder verständlich: Der Trailer versucht das zu verstecken bzw. deutet es nur kurz an – und wirkt wie für eine 08/15-Äktschn-DVD-Premiere, nur mit Charlize Theron statt Dolph Lundgren. Ob das jetzt besser oder schlechter wäre, ist eine persönliche Geschmacksfrage, würde ich sagen. Der bedenklich leichtfertige Umgang mit dem Leben von Dutzenden Schergen-Charakteren hätte Dolph Lundgren aber auch gut zu Gesicht gestanden.

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EL HOYO (Der Schacht)

El hoyo (2019)

 

Endlich ein Film, der die Existenz von Netflix zu rechtfertigen vermag. Hier kommen Möglichkeiten und Ergebnis auf Augenhöhe zusammen. Ein faszinierendes wildes Wunderland der Allegorien, Metaphern und Parabeln. Erwartet habe ich mir nach dem Trailer ein Remake von „Snowpiercer“ mit einem Aufzug; das kommt eh hin – vielleicht liegt der Vergleich zu „Cube“ oder „Saw“ sogar näher. Mit Aufzug. Unzählige Menschen befinden sich aus unterschiedlichen Gründen in einer Art Gefängnis, das aus übereinander angeordneten Zweierzellen besteht, durch die täglich ein riesiger Speiselift mit erlesensten Köstlichkeiten von oben nach unten durchfährt. Alle können nur noch essen, was ihnen die Kollegen darüber übrig gelassen haben. Ab einer gewissen Tiefe kommen da nur mehr leere Teller und Becher an. Dafür wechseln die Insassen jeden Monat die Ebene, einmal ist man auf Ebene 6 (Völlern), dann wieder auf 172 (Verhungern). Schon auf Ebene 48, wo wir einsteigen, gibt es nur mehr grindige Restln.

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DA 5 BLOODS

 

Da 5 Bloods (2020)

 

Der Schatz der Sierra Madre liegt diesmal im Dschungel von Vietnam begraben, und den wollen vier schwarze Veteranen unter dem Vorwand klauen, die sterblichen Überreste eines Kameraden auszubuddeln und heimzuführen, und zwar als Wiedergutmachung für alles, was das weiße Amerika den Schwarzen über die Jahrhunderte angetan hat. Keine große Überraschung, dass es sich um einen Spike Lee Joint handelt, bei dem diesmal die Einschätzung, ob es sich um eine bewusste Farce oder ein ernstgemeintes Drama handelt, noch schwieriger ist als sonst. Dass zwei Drehbuchautoren beteiligt sind, die noch nie mit Herrn Lee zusammengearbeitet haben und die bislang durch Bücher zu James-Bond-Spielen aufgefallen sind, lässt darauf schließen, dass er hier ein ursprünglich fremdes Projekt an seine Vorstellungen und Absichten angepasst hat. Das würde auch die Stimmungsschwankungen gut erklären.

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GHOST STORIES

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Indische Geister tanzen nicht. Das unterscheidet sie von den indischen Lebenden, zumindest denen in Filmen, und das ist schon einmal die erste große Enttäuschung, von der sich der Film nie wirklich erholt. Gut, der Geist in der ersten Episode ist schwer gehbehindert und der in der vierten Episode katholisch und gehbehindert, die haben eine gute Entschuldigung. Dazu kommt, dass man in der zweiten Episode nicht recht weiß, ob das überhaupt ein Geist sein soll, und die in der dritten Episode sind keine Geister sondern Zombie-Werwolf-Kannibalen, die auch nicht für ihr Rhythmus-Gefühl bekannt sind. Außer in der Karibik  (da gab´s doch auch einmal diesen schleimigen Wiedergänger, der den „Limbo Dance“ zwar nicht gemacht aber doch besungen hat) und bei Michael Jackson. Schade und auch unpraktisch, denn fast alle Geschichten hier sind mit viel Krampf auf die 144 Minuten gestreckt, mit ein paar flotten Einlagen von A. R. Rahman und Farah Khan wäre das viel einfacher gewesen.

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J´AI PERDU MON CORPS (Ich habe meinen Körper verloren)

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Zwei Geschichten laufen nebeneinander her, die eine schneller, die andere langsamer, die eine heute, die andere gestern, man weiß nicht wohin. Wo sie zusammenhängen, oder besser gesagt einmal zusammengehangen sind, schon wird in der ersten Szene angedeutet – man kann den Hinweis zunächst noch nicht recht einordnen,  muss aber eh nicht lange auf den nächsten warten.

In dem einen Handlungsstrang nimmt eine abgetrennte Hand die Finger in dieselbige und flieht mit großer Entschlossenheit aus der Pathologie einem unbekannten Ziel zu; bei ihrer Odyssee durch Paris muss sie sich mit Tauben, Ratten und Babies auseinandersetzen und erweist sich als akrobatischer Freerunner. Fünf Gliedmaßen statt nur vier sind da sicher hilfreich.

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IN THE TALL GRASS (Im hohen Gras)

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Irgendwo im Herzen von Amerika ist Sommerabend über blühendem Land, die Grillen singen, und es duftet das Heu. Stephen King inspiriert das wieder einmal zu einem Gfrett im Kornfeld, diesmal ohne die zornigen Kinder mit dem Bibelkomplex.

Aber auch wenn es erfreulich ist, endlich was Neues von Vincenzo Natali zu sehen, der am Anfang seiner Karriere mit „Cube“ und „Nothing“ zwei sehr feine Filme gemacht hat, will der Ausflug ins Kukuruzfeld (oder was für Stauden die bösen Stengeln sonst sind) nicht recht überzeugen, jedenfalls nicht über lange 100 Minuten. Die Vorlage ist eine Kurzgeschichte, was eher der passende Rahmen für eine simple und durchaus beklemmende Geschichte ist, in der nichts anderes passiert, als dass sich ein paar Leute im Zornfeld verirren und die Marchfeld-Version von „Lost“ nachspielen. Das ist nicht unbedingt fad, aber spätestens nach 60 Minuten ist die Geschichte auserzählt, zumal irgendwelche Erklärungen oder eine Vertiefung der Mythologie auch danach nicht stattfinden.

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DONG WU SHI JIE (Animal World)

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So, jetzt ist es passiert! Seit etwa 30 Jahren wird alles verfilmt, was nicht bei drei am nächsten Baum ist. Und es ist ihnen in Hollywood nichts zu blöd, wenn sie glauben, dass damit ein ordentlicher Reibach zu machen ist (oft geht´s aber eh schief). Begonnen hat´s mit Videospielen, also haben wir schon die Super Mario Bros, Lara Croft oder Angry Birds gesehen, demnächst beehrt uns Scroll-Igel Sonic (der mich ein Semester beim Studium gekostet hat, weil ich Tag und Nacht nur mehr Münzen gesammelt und Dr. Robotnik gejagt habe, auf meinem alten Sega Mega Drive, gotthabihnselig). Dann haben sie begonnen, Spielzeug zu verfilmen, Barbie, Transformers, Lego und so weiter. Der Gipfel war dann vor ein paar Jahren die Filmversion von „Schiffe versenken“. Aber die Chinesen wären nicht die Chinesen, wenn sie da nicht noch eins draufsetzen könnten und die ultimate Spielverfilmung bringen würden. Daher, liebe Freunde der gehobenen Filmkunst, darf ich präsentieren: „Schere, Stein, Papier“ als Film! Auf Leben und Tod. Und was soll ich sagen? Grandios!

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SEE YOU YESTERDAY

see you

Oder: Wenn Idioten auf Zeitreisen gehen. Und zwar die dümmsten seit den immer noch unübertroffenen Bill und Ted. Aber immerhin haben die Dolme hier ihre Zeitmaschinen-Rucksäcke selber gebaut. Nur haben sie leider zwar brav in Physik aufgepasst, der Hausverstand ist dabei aber auf der Strecke geblieben, wahrscheinlich nach der alten Kelly-Bundy-Lerntheorie: Eins rein, eins raus. Drücken, nicht reiben.

Schade um die an sich schöne (oder zumindest sehr kreative) Idee, eine Teenie-Zeitreise-Geschichte mit einem sozialkritischen Thema zu verknüpfen, hier Polizeigewalt gegen Schwarze – es überrascht nicht, dass Spike Lee den Film produziert hat. Schade halt, dass vieles so dumm erzählt wird und das Polizei-Thema unglaublich oberflächlich und grundsätzlich hatschert erzählt wird. So scheitert der Film nach einer akzeptablen ersten Stunde im Schlussdrittel an beiden Geschichten.

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HUAN TU (A Land Imagined)

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In den Ankündigungstexten heißt es mit einigem Etikettenschwindel, dass es um einen Polizisten gehe, der in Singapur dem Verschwinden eines chinesischen Wanderarbeiters nachgeht, der sich in schlaflosen Nächten einem rätselhaften Videospiel hingegeben habe. Außerdem hat der Film in Locarno den Goldenen Leoparden gewonnen. Da erwarte ich mir natürlich gleich einen typisch ostasiatisch schrägen Cyperpunk-Independent-Film á la SUNGNYANGPALI SONYEOUI JAERIM (The Resurrection of the Little Match Girl) oder AVALON. Das Videospiel ist allerdings gar nicht rätselhaft sondern ein banales Multiplayer-Kriegsspiel mit äußerst untergeordneter Bedeutung für die Gesamthandlung. Tatsächlich handelt es sich um einen eher handlungsbefreiten und gemächlichen Film über die Ausbeutung von Gastarbeitern bei der Landgewinnung vor Singapur, aufgemascherlt durch eine – wenn ich´s richtig verstanden habe – mit LOST HIGHWAY verwandte Erzählstrategie.

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